Heilpflanzenlexikon
Hier erhalten Sie einen Überblick über wichtige Heil- und Arzneipflanzen
Die vorliegende Übersicht bietet eine strukturierte Zusammenstellung der wichtigsten Arzneipflanzen, die in Deutschland in pflanzlichen Arzneimitteln (Phytopharmaka) als Wirkstoff enthalten sind. Die Monographien enthalten Angaben zu den Pflanzen, zu deren arzneilich genutzten Pflanzenteilen (= Droge im pharmazeutischen Sinne) und Angaben zu den Inhaltsstoffen sowie detaillierte Informationen über die medizinische Anwendung der Pflanzen bzw. Drogen. Weiterhin wird auf die Dosierung und die Zubereitung von Teeaufgüssen eingegangen. Auch werden die notwendigen Warnhinweise gegeben und auf Neben- und Wechselwirkungen hingewiesen.
Die Angaben wollen und können jedoch keine ausschließliche Anleitung zur Selbsttherapie bieten. Bitte lassen Sie sich im Erkrankungsfalle von Ihrem Arzt, Heilpraktiker oder in Ihrer Apotheke beraten.
J
- Johanniskraut
Botanische Bezeichnung
Tüpfel-Johanniskraut - Hypericum perforatum L.
Familie
Johanniskrautgewächse (Hypericaceae)
Wissenswertes zur Pflanze
Weltweit gibt es ungefähr 380 Hypericum-Arten, ca. 20 davon kommen in Mitteleuropa vor, darunter das Tüpfel-Johanniskraut. Es ist in ganz Europa und Westasien, auf den Kanarischen Inseln und in Nordafrika heimisch und gilt in den anderen Erdteilen als eingeschleppt und eingebürgert.
Der Gattungsname Hypericum leitet sich ab von griech. ‚hyper’ (= auf) und ‚ereikon’ (sinngemäß: auf der Heide wachsend). Dafür gibt es verschiedene Deutungen wie „unter Heidekräutern wachsende Sippe“ oder „den Heidekräutern ähnliche Sippe“. Das Artepitheton perforatum dagegen ist eindeutig und bezieht sich auf die durchscheinende Punktierung der Blätter, abgeleitet von lat. ‚perforatus’ (= durchbohrt, durchlöchert), was auch im deutschen Namen „Tüpfel-“ zum Ausdruck kommt. Besonders auffallend ist die drüsige Punktierung, wenn man die Blätter gegen das Licht betrachtet. Durch die drüsige Punktierung unterscheidet sich das Tüpfel-Johanniskraut von den anderen Hypericum-Arten. „Johanniskraut“ heißt die Pflanze, weil sie zur Sommersonnwende, also zu „Johanni“ (24. Juni) zu blühen beginnt. Bekannt ist sie auch als „Tüpfel-Hartheu“, was deutlich macht, dass ihre „harten“ Stängel nur wenig brauchbares Heu ergibt.
Johanniskraut wächst verbreitet an Weg und Feldrändern, an Zäunen, auf Magerwiesen und in Gebüschen. Das Tüpfel-Johanniskraut (im weiteren Verlauf hier nur noch „Johanniskraut“ genannt) wird ca. 60 cm hoch. Sehr auffallend sind die zahlreichen gelben Blüten die in traubig zusammengesetzten Trugdolden am oberen Ende der harten, ästigen Stängel stehen. In der Mitte der Blüte ragen zahlreiche, lange Staubblätter heraus. Die Blütenblätter sind wie die Blätter drüsig punktiert, wobei die drüsigen Ölbehälter der Blüten durch das darin enthaltene dunkelrote Hypericin schwarz erscheinen. Wenn man die frischen Blüten zerreibt, färbt es die Finger rot. Johanniskraut blüht von Ende Juni bis in den Spätsommer hinein.Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)
Verwendet werden die getrockneten blühenden Zweigspitzen mit Blüten, Blättern und Stängeln. Die Droge stammt vorwiegend aus dem Anbau in Deutschland, Osteuropa und Chile.
Inhaltsstoffe der Droge
Johanniskraut enthält Hypericine (Naphthodianthrone), Hyperforin (Phloroglucinderivat), Flavonoide und Biflavone.
Qualitätsbeschreibungen
Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:
Johanniskraut (Hyperici herba)Quantifizierter Johanniskrauttrockenextrakt (Hyperici herbae extractum siccum quantificatum)
Wenn von „öligen Zubereitungen“ des Johanniskrauts gesprochen wird, ist Johannisöl (Rotöl) gemeint. Es ist eine traditionelle Zubereitung aus frischen Johanniskrautblüten mit einer Herstellungsvorschrift im Ergänzungsbuch zum DAB 6 (Erg.-B. 6). Die frischen Blüten werden zerquetscht, mit Olivenöl (1:4) übergossen und in einem hellen Glasbehälter unter häufigem Umschütteln über sechs Wochen an einem warmen und sonnigen Ort extrahiert (im Originaltext steht „Gärung“) bis das Öl dunkelrot gefärbt ist. Für die Farbe ist das Hypericin verantwortlich.Medizinische Anwendung
Anerkannte medizinische AnwendungInnerlich: Psychovegetative Störungen, depressive Verstimmungszustände, Angst und/oder nervöse Unruhe. Ölige Hypericum-Zubereitungen bei dyspeptischen Beschwerden (Kommission E). Leichte depressive Störungen oder leichte bis mittelschwere depressive Episoden entsprechend ICD-10 (ESCOP).
Das HMPC hat Johanniskraut für die Behandlung leichter und mittelschwerer Depressionen (entsprechend ICD-10) und zur kurzzeitigen Behandlung depressiver Störungen als „medizinisch allgemein anerkannt“ („well- established medicinal use“) akzeptiert; siehe auch „traditionelle Anwendung“.
Äußerlich: Ölige Johanniskraut-Zubereitungen zur Behandlung und Nachbehandlung von scharfen und stumpfen Verletzungen, Myalgien (Muskelschmerzen) und Verbrennungen 1. Grades (Kommission E).Traditionelle Anwendung
Johanniskraut wurde vom HMPC für nachfolgende Anwendungsgebiete als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langer Erfahrung kann Johanniskraut innerlich zur Linderung vorübergehender mentaler Erschöpfungszustände und zur symptomatischen Behandlung leichter Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt werden. Außerdem können ölige Johanniskraut-Zubereitungen (Johannisöl) äußerlich zur Behandlung leichter Hautentzündungen (z.B. Sonnenbrand) und zur Heilung von kleinen Wunden eingesetzt werden.
Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln
- Geschnittenes Johanniskraut als Tee
- Trockenextrakt in Kapseln und Tabletten
- Alkoholische Auszüge in Tropfen und anderen flüssigen Zubereitungen
- Frischpflanzenpresssaft als Saft
- Urtinktur in flüssigen Zubereitungen
Dosierung
Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: Mit einer Teezubereitung von Johanniskraut wird die wirksame Dosis zur Behandlung von Depressionen nicht erreicht, deshalb ist bei diesem Anwendungsgebiet vom Trinken eines Johanniskrauttees abzuraten und Fertigpräparaten mit einem definierten Wirkstoffgehalt (quantifizierter Extrakt) den Vorzug zu geben.
Bei den Anwendungsgebieten der „traditionellen Anwendung“ kann auch Johanniskrauttee getrunken werden. Einzeldosis 2 bis 4 g Johanniskraut, Tagesdosis: 6 bis 12 g.Bereitung eines Teeaufgusses
2 bis 4 g fein geschnittenes Johanniskraut wird mit 150 mL siedendem Wasser versetzt übergossen und nach 5 bis 10 Min. abgeseiht.
Hinweise
Johanniskraut hat photosensibilisierende Eigenschaften (Hypericingehalt). Hellhäutige Personen können deshalb bei hoher Johanniskraut-Dosierung möglicherweise mit einer erhöhten Lichtempfindlichkeit reagieren und sollten sich deshalb nicht unbedingt der Sonne aussetzen.
Von einer Einnahme von Johanniskraut während der Schwangerschaft und Stillzeit ist abzuraten, da bisher noch keine Erfahrungen zur Unbedenklichkeit vorliegen. Ebenfalls liegen keine Erkenntnisse für die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren vor.Nebenwirkungen
Nebenwirkungen selten; mitunter allergische Hauterscheinungen, Müdigkeit, Unruhe oder Magen-Darm-Beschwerden.
Wechselwirkungen
Johanniskraut erhöht die Aktivität verschiedener Subtypen des Enzyms Cytochrom-P450, wodurch es zu Wechselwirkungen mit Arzneimitteln kommen kann, die von diesem Enzym metabolisiert werden mit der Folge einer Wirkungsabschwächung. Dies betrifft Antikoagulanzien vom Cumarintyp (z.B. Marcurmar), Ciclosporin und Tacrolimus (Immunssuppressiva), Digoxin, Indinavir und andere Proteasehemmstoffe (HIV-Behandlung), Zytostatika, Hormone zur Empfängnisverhütung (Antibabypille) sowie Amitryptin/Nortriptylin (Antidepressiva) und Theophyllin.